Protesttagkampagne "Zähne zeigen"                               gegen das GKV-Finanzstabilisisierungsgesetz.

 

 

Offener Brief an alle interessierten Patienten

 

Am 22.3.2023 wurden alle Zahnärzte in Schleswig-Holstein zu einer zentralen Informationsveranstaltung nach Rendsburg eingeladen. Dieser landesweite Protest richtet sich gegen das vom Deutschen Bundestag am 20.10.2022 verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.
Hiermit sollen Finanzdefizite in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geschlossen werden.

 

Auch wir Zahnärzte haben unter den massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten zu leiden. Jeder weiß von den explodierenden Heizungs- und Strompreisen, von denen natürlich auch Praxisbetreiber nicht verschont bleiben.

 

In den derzeit laufenden Tarifverhandlungen werden deswegen um die 10% Lohnsteigerungen verlangt und sehr wahrscheinlich auch durchgesetzt. Diese Forderungen finden gesellschaftlich breite Zustimmung. Unsere Standesvertretungen müssen dagegen in mühseligen Verhandlungen mit den Krankenkassenverbänden um jede Honoraranpassung verbissen kämpfen und erreichen trotzdem kaum einen Ausgleich der Inflation.

 

Immer wieder wird seitens der Politik behauptet, das Gesundheitssystem werde mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet, das Geld werde aber von den ärztlichen Selbstverwaltungen falsch verteilt. Wo aber tatsächlich nicht genügend Geld vorhanden ist, kann dieser Notstand nur bestmöglich verwaltet werden.

 

Und nun sollen durch das neue Gesetz zahnärztliche Leistungen auch noch budgetiert werden. Das bedeutet, dass für die Bezahlung aller zahnärztlichen Behandlungen im Land Schleswig-Holstein ein fester Betrag zur Verfügung steht. Ist der verbraucht, werden deutlich reduzierte Honorare ausgezahlt. Wann der "Topf" leer ist, weiß aber niemand! Das wird zur Folge haben, dass jeder Kollege abschätzen muss, ob er sich das Risiko zur Erbringung bestimmte Behandlungen an seinen Patienten wirtschaftlich überhaupt noch leisten kann, wenn diese letztendlich nicht kostendeckend bezahlt werden. Wohlgemerkt, wir sprechen nicht von einer Behandlung, die man mal für einen langjährigen Patienten kostenfrei erbringt, sondern über die tägliche Arbeit.

 

Fragen Sie sich bitte selbst: würden Sie in der heutigen Situation für weniger Geld arbeiten? Würden Sie nicht auch erwarten, dass eine gute Leistung angemessen honoriert wird? Finden Sie es gerecht, wenn ein Zahnarzt für seine geleistete Arbeit weniger Honorar erhält, sobald das Budget erschöpft ist?

 

In diesem Zusammenhang gilt es mit einem völlig überholten Weltbild aufzuräumen. Weiterhin scheint gerade auf der politischen Ebene die Auffassung vorzuherrschen, Zahnärzte seien „Superverdiener“ und finanzielle Einschnitte könnten dort spielend ausgeglichen werden.

Die Situation ist eine andere. Viele Praxen stehen wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand. Sie zehren von den mühsam angesparten Alters-Rücklagen. Die Politik und insbesondere unser Bundesgesundheitsminister müssen begreifen, dass man Zahnärzten keine weiteren Daumenschrauben anlegen kann, bei uns gibt es nichts mehr einzusparen, ohne das dann auch die Leistungen am Patienten leiden.

 

Finanzdefizite der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) haben ihre Ursache nicht in der zahnärztlichen Versorgung. 2021 betrug der Anteil der zahnärztlichen Behandlungskosten an den Gesamtausgaben der Kassen gerade einmal 4,71% (Zum Vergleich: Ärzte 17%). Darüber hinaus ist dieser in den letzten 10 Jahren um ca. 25% zurückgegangen! Wir Zahnärzte haben unseren gesellschaftlichen Beitrag zur Konsolidierung der Haushalte längst geleistet.

 

Viele Berufsgruppen fordern heute für sich nicht nur eine gerechte Bezahlung, sondern auch eine angemessene gesellschaftliche Wertschätzung. Ich empfinde es als groben Mangel an Wertschätzung für uns Zahnärzte, wenn das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in Kraft tritt.

 

Es ist kaum verwunderlich, dass unter diesen finanziellen Rahmenbedingungen immer weniger Zahnärztinnen und Zahnärzte das Risiko einer Selbstständigkeit auf sich nehmen wollen. 2017 kostete die Neugründung einer Zahnarztpraxis durchschnittlich 441.000, - €, eine Praxisübernahme, einschließlich der notwendigen Modernisierungen, 309.000, - €. Diese Zahlen werden sich aktuell sicherlich nicht verringert haben. Nach 35 Jahren in meiner Praxis weiß ich inzwischen, dass diese Investitionen bis zum Berufsruhestand längst nicht ausreichen. Jeder Patient erhebt den Anspruch auf eine Behandlung nach neuesten Behandlungsstandards. Dies erfordert zwangsläufig eine ständige Modernisierung der medizinischen Geräte mit entsprechenden Folgekosten. Wie sollen junge Kolleginnen und Kollegen das zukünftig noch erwirtschaften?

 

Nach einer Untersuchung der Bundes-Zahnärztekammer muss eine Zahnarztpraxis 326 Euro rein rechnerisch pro Behandlungsstunde verdienen, um die laufenden Kosten zu decken und wirtschaftlich arbeiten zu können.

 

Da bundesweit bis Ende 2023 mindestens 50% aller niedergelassenen Zahnärzte in den Ruhestand gehen werden und Nachfolger wegen des hohen wirtschaftlichen Risikos einer Selbstständigkeit nicht in Sicht sind, befürchte ich kurzfristig einen deutliches Praxissterben auch in Schleswig-Holstein. Um dies abzuwenden, sollte es doch eher das Ziel der Politik sein, die Attraktivität des Berufes zu erhöhen.

Solange aber weiter übermäßig reglementiert und gespart wird, sehe ich schwarz für die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland! Es gibt keine Top-Leistung zum Sparkurs. Entweder wird für den Anspruch auf ein überdurchschnittliches Niveau der zahnärztlichen Versorgung in Deutschland bezahlt oder wir müssen uns mit einer Grundversorgung begnügen.

 

Und das trifft dann leider auch Sie!

Deswegen bitte ich um Ihre Unterstützung.

 

Informieren Sie sich über die Kampagne "Zähnae zeigen" unter:

www.zaehnezeigen.info

Schreiben Sie einen Brief oder eine Mail an Ihre politischen Vertreter im Bundestag!

 

 

 

Diese Gedanken geben meine persönliche Meinung wieder, sind von mir frei formuliert und erheben keinen Anspruch auf uneingeschränkte Richtigkeit. Ich hoffe auf das Verständnis aller meiner Patienten.